Zwischen Kurmainz und Baden

…schauten mal kurz die Fürstenhäuser Leiningen und Salm-Reifferscheid-Krautheim vorbei….

Mit dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 wurden u.a. die ehem. Kurmainzischen bzw. zum Hochstift Würzburg gehörigen Gebiete der heutigen Gemeinden Tauberbischofsheim und Großrinderfeld den Fürstenhäusern Leiningen und Salm-Reifferscheid-Krautheim zugeschlagen. In einem Zusatzvertrag regelten die beiden Fürstenhäuser ihre hiesigen Besitzverhältnisse im Jahr 1805 noch emsig, bevor sie dann 1806 schon wieder ihre staatliche Souveränität mit der Gründung des Großherzogtums Baden verloren. Der Vertrag von 1805 enthält dennoch einige interessante Details.

Im Heiligen Römischen Reich herrschten bis drei Jahre vor seinem Ende im Jahr 1806 in der Main-Tauber-Region großteils Kurmainz und das Hochstift Würzburg. Zu Kurmainz gehörte u.a. das Oberamt (Tauber-)Bischofsheim, dem kurz vor dem kurmainzischen Ende 1803 z.B. auch die Dörfer Großrinderfeld und Schönfeld zugeteilt waren. Dem Hochstift Würzburg unterstanden zu dieser Zeit u.a. die Ämter Grünsfeld und Lauda mit den Dörfern Gerchsheim und Ilmspan:

Abbildung: Herrschaftsgebiet und Ämtergliederung um 1790 in der Main-Tauber-Region (Quelle: leo-bw.de)
Herrschaftsgebiet und Ämtergliederung um 1790 in der Main-Tauber-Region (Quelle: leo-bw.de)

Mit dem Reichsdeputationshauptschluss und der damit verbundenen Säkularisation war es dann im Jahre 1803 mit der Herrschaft des Kürfürstentums Mainz und des Hochstifts Würzburg vorbei. Die Machtverhältnisse wurden neu verteilt. Die Grafschaft Salm-Reifferscheid stieg zum Fürstentum auf und erhielt ebenso wie das Fürstentum Leiningen für ihre linksrheinischen Territorialverluste viele ehem. kurmainzischen bzw. würzburgischen Gebiete zugesprochen. In der Main-Tauber-Region fielen so u.a. das Oberamt Bischofsheim und das Amt Grünsfeld an das Fürstentum Leiningen. Da Leiningen aber auch die Abtei Amorbach zugesprochen bekam, wurde im Deputations-Hauptschluss geregelt, dass das neue Fürstentum Salm-Reifferscheid-Krautheim als Ausgleich dafür von Leiningen für Amorbach eine jährliche „Rente“ von 32.000 Gulden (entspricht ungefähr einer Kaufkraft von heute über 650.000 EUR) zu erhalten habe. Eine unbefristete, jährliche Zahlung in dieser enormen Höhe behagte Leiningen natürlich nicht, weshalb es noch im Laufe der Regensburger Hauptschluss-Verhandlungen 1802 in Unterverhandlungen mit dem Hause Salm-Reifferscheid eintrat. Schnell kam man überein, dass Salm-Reifferscheid auf die jährliche Forderung über 32.000 Gulden verzichtet, wenn Leiningen dafür einige der ihm zugesprochenen Gebiete an das Haus Salm-Reifferscheid übergibt: Das Kloster Gerlachsheim, das gesamte Amt Grünsfeld und das zum Amt Lauda gehörige Dorf Distelhausen.

Abbildung: Die Machtverhältnisse in der Main-Tauber-Region in napoleonischer Zeit (1806)  (Quelle: leo-bw.de)
Die Machtverhältnisse in der Main-Tauber-Region in napoleonischer Zeit (1806) (Quelle: leo-bw.de) Erläuterung zur Karte hier.

Damit blieb der herrschaftliche Flickenteppich in der Region zwischen (Tauber)Bischofsheim und der bayerischen Landesgrenze weiterhin bestehen, die Grenzverhältnisse waren ziemlich verworren und undurchsichtig. Besonders im Grenzbereich der Ortschaften Großrinderfeld, Gerchsheim und Ilmspan. Den beiden Fürstenhäusern dämmerte schnell, dass hierin großes Konfliktpotential liegt. Und so setzten sich die beiden Fürsten – Carl Friedrich Wilhelm Fürst zu Leiningen und Franz Wilhelm Joseph Anton zu Salm-Reifferscheidt(-Krautheim) – 1805 noch einmal zusammen und bastelten einen Zusatzvertrag, in welchem sie die Besitzverhältnisse konkretisierten. Eine Abschrift (dictatum ratisbonae per Archicancellarienfem, „Regensburger Diktat des Erzkanzlers“) findet sich online abrufbar in der Digitalen Bibliothek des Münchner DigitalisierungsZentrums (MDZ).

Abbildung: Zusatzvertrag zum Reichsdeputationshauptschluss zwischen dem Fürstentum Leiningen und dem Fürstentum Salm-Reifferscheidt-Krautheim
Adressaten und Absender des Zusatzvertrags zum Reichsdeputationshauptschluss zwischen dem Fürstentum Leiningen und dem Fürstentum Salm-Reifferscheidt-Krautheim (Quelle: MDZ)

Wenn zwei hochwohlgeborene Fürsten Anfangs des 19. Jahrhunderts ihrer hochgeachteten Reichsversammlung schreiben, resultiert das allerdings in einem huldvollen Gesülze, welches das gesamte Dokument nahezu unerträglich in die Länge zieht und damit auch nicht gerade zum inhaltlichen Verständnis beiträgt…

Denen hochwürdigen, hoch- hochwohl- und wohlgeborenen Herren, des heil. römischen Reichs Kurfürsten, Fürsten und Ständen zur allgemeinen Reichsversammlung bevollmächtigten Herren Räthen, Botschaftern und Gesandten. Unsern insonders hoch- und vielgeehrten Herren. (…)
Hochwürdige, Hoch- und Hochwohl- auch Wohl- und Hochedelgeborne, Hochgelehrte, insonders hoch- und vielgeehrteste Herren! (…)
Wir Carl Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden Fürst zu Leiningen, Pfalzgraf zu Mosbach, Herr zu Miltenberg, Amorbach, Düren, Bischoffsheim, Hardheim und Lauda
und
Wir Franz Wilhelm von Gottes Gnaden regierender Fürst zu Salm-Reifferscheid-Krautheim
urkunden und bekennen hiermit für uns, unsere fürstliche Erben und Nachkommen: (…)
Zur steten und unverbrüchlichen Festhaltung gegenwärtigen Vertrags verbinden Wir Carl Friedrich Wilhelm regierender Fürst zu Leiningen und Wir Franz Wilhelm regierender Fürst zu Salm-Reifferscheid-Krautheim uns bey Fürstlichen Ehren und Worten, Treuen und Glauben, und haben in Urkund dessen solchen eigenhändig unterschrieben, und unsere Fürstliche Innsiegel vordrucken lassen. So geschehen Amorbach und Gerlachsheim den 15ten und 25ten April 1805 (…)
Wir verharren mit den Gesinnungen der vollkommensten Hochachtung und Ergebenheit
Euer Exzellenzien
dienstwillig ergebene und bereitwillige
Amorbach, den 6.May 1805 Carl F. z. Leiningen
Gerlachsheim, den 14.May 1805 Franz, regierender Fürst und Altgraf zu Salm-Reifferscheid-Krautheim

Wenn man den gesamten Text also erstmal ordentlich entschwurbelt, bleibt schließlich als Ergebnis folgender Inhalt:

Die beiden unterzeichneten Parteien – das Fürstenhaus Leiningen (nachfolgend: FL) und das Fürstenhaus Salm-Reifferscheidt-Krautheim (nachfolgend: FSRK) – erläutern anfangs, dass sie bereits während der Deputationsverhandlungen in Regensburg (1803) einen Vertrag geschlossen hätten: FL muss für den Erhalt der Abtei Amorbach nicht jährlich 32.000 Gulden Rente an FSRK zahlen. FSRK erhält im Gegenzug von FL die Ämter und Probsten Grünsfeld und Gerlachsheim, und das Dorf Distelhausen.
Zur näheren Spezifikation des betreffenden Territoriums wird nachfolgende Vereinbarung geschlossen.
Die beiden Parteien bitten darum, dass diese Vereinbarung den Protokollen des Deputations-Hauptschlusses beigefügt wird.

Statt des Vollzugs des im Reichdeputations-Hauptschluss vom 26.9-8.10.1802 festgelegten Urteils, dass das FL für den Erhalt der Abtei Amorbach dem FSRK eine jährliche Rente von 32.000 Gulden zu zahlen habe, haben sich beide Parteien schon damals geeinigt, dass das FL dem FSRK stattdessen das Kloster Gerlachsheim und das Amt Grünsfeld überlässt, FSRK verzichtet nun aber auf das ihm ursprünglich zugeschusterte, zum Amt Lauda gehörige Dorf Distelhausen. Um zu vermeiden, dass es zwischen beiden Häusern aufgrund evtl. unklarer lokaler Verhältnisse zu Unstimmigkeiten kommt, wird diese Übereinkunft nun noch mit nachfolgendem Vertrag spezifiziert:


1.) FL überlässt FSRK die Abtei Gerlachsheim und das Amt Grünsfeld

2.) FL überlässt FSRK das zum Oberamt Bischofsheim gehörige Dorf Poppenhausen exklusive des Bischofsheimer Zoll-Regals

3.) FL überlässt FSRK die Cent-Gerichtsbarkeit in Gerlachsheim, Kützbrunn, Impfingen und Gerchsheim (soweit diese ehem. kurmainzisch war)

4.) FL überlässt FSRK die Jagdgerechtigkeit auf Gerchsheimer und Impfinger Gemarkung; die Jagdgerechtigkeit auf Distelhäuser und Laudaer Gemarkung bleibt wie bereits am 11.12.1802 indirekt festgelegt auch bei FSRK

5.) Wälder des FSRK, welche auf dem Territorium des FL liegen: Fortswirtschaftlich hat FSRK das alleinige Nutzungsrecht, alle anderen Rechte wie Ahndung von Frevel, Tätigungen, Mast und Jagd bleiben dagegen dem FL vorbehalten

6.) FL überlässt FSRK alle Gefälle (Zehnden, Gülten etc.), die bisher von der Amtskellerei Bischofsheim in den jetzt salmischen Ämtern Grünsfeld und Gerlachsheim bezogen wurden. Ebenso alle Rechte und Gefälle, welche die ehem. Domkellerei Bischofsheim in dem jetzt salmischen Amt Grünsfeld besessen hat. (FSRK hat dafür aber auch alle darauf liegenden Lasten zu tragen.)

7.) FL überlässt FSRK alle Renten und Gefälle, welche FL durch die Kellereien Bischofsheim und Lauda aus der ehem. Abtei Gerlachsheim und Grünsfeld bezogen hatte.

8.) Der Zoll zu Gerchsheim war und bleibt dem Oberamt Bischofsheim (und damit nun Leiningen) gehörig. Und deshalb bleibt auch die seit langen Zeiten in Gerchsheim stehende Zollstätte bestehen, bis FL eine bessere Stelle gefunden hat.

9.) FSRK verzichtet dafür aber auf das im Regensburger Sessions-Vertrag zugesicherte Dorf Distelhausen (Amt Lauda) zugunsten FL.

10.) FSRK tritt die Cent-Gerichtsbarkeitsrechte in Dittwar und Schönfeld (beide FL) incl. Jagd-Gerechtigkeit zu Schönfeld an FL ab.

11.) FSRK tritt die Jagd-Gerechtigkeit in Dittigheim (FSRK) – aber nur links der Tauber – an FL ab.

12.) Aufgrund dieser Vereinbarung erklärt FSRK, dass die beim Reichsdeputationshauptschluss 1802 festgelegte Rentenzahlung von jährlich 32000 Gulden von FL an FSRK ungültig/hinfällig geworden ist.

13.) Zur gegenseitigen Befriedigung haben sich beide Parteien verständigt, eigene Gefälle, die im Territorium des anderen liegen, gegeneinander auszutauschen. [also im Prinzip eine Art von Flurbereinigung]

14.) Aus selbigem Grund, insb. bzgl. der Grenzen (Cent- Jagd- und Territorial) – v.a. bei Gerchsheim – wird beschlossen:

  • Die Cent- Jagd- und Territorial-Grenze von Gerchsheim gegen Unter- & Oberaltertheim ist die abgesteinte Gerchsheimer Gemarkungsgrenze
  • Ab dem Punkt, wo an der Weinstraße Gerchsheimer und Oberaltertheimer Gemarkung zusammenstoßen, wird die Weinstraße auch in der Form zur Grenze zwischen Gerchsheimer Jagd und Cent, dass auf dieser in einer Breite von 24 Schuh dem FL Zoll, Cent, Geleit und Hoheit wie seit jeher verbleibt – und zwar bis zu Stein Nr. 113 (wo die Weinstraße in das FL-Territorium übergeht)
  • Ab jenem Stein Nr 113 zieht die Grenze längs dem Graben zwischen FSRK-herrschaftlichem Wald und Gerchsheimer Äckern Richtung Gerchsheim (ca 180 Schuh lang)
  • und dann zwischen FL-Wald und Gerchsheimer Feldern über die Chaussee längs des gerade verlaufenden Grabens bis zum Würzburger Hospitalwald (auf Gerchsheimer Gemarkung)
  • und dann zwischen diesem und den angrenzenden Privat- und Güterhölzern einerseits und dem FL-Wald andererseits längs der Absteinung bis wieder an die Weinstraße (gegenüber Stein 107).
  • Jetzt zieht die Grenze so längs der Weinstraße, dass auf der einen Seite der Spitalwald (Richtung Gerchsheim) und auf der anderen Seite die Weinstraße selbst liegt. Und das soweit, bis sie von der Weinstraße abwärts Richtung Gerchsheim zwischen dem Spitalwald rechts und dem FL-Wald links trennt.
  • Ab dem Punkt der Weinstraße, wo Spitalwald und FL-Wald wieder zusammenstoßen, zieht die Grenze zwischen Spitalwald und Gerchsheimer Gemarkung – und dem FL-Wald von der Weinstraße ab waldeinwärts in gerader Linie am Wertheimer-Holz und einem FSRK-Wald vorbei bis aufs
    Ackerfeld „Herrleinswiese“ (wo der Spitalwald endet). Alles rechts dieser Linie (von der Weinstraße aus gesehen) liegt auf Gerchsheimer Gemarkungen, die linksseitig liegenden Wälder sind aber FL-Territorium.
  • Jetzt zieht die Grenze zwischen Gerchsheimer Acker und FL-Wald
  • danach zwischen Gerchsheimer Acker und FSRK-Wald – und zwar bis an die Spitez jenes Waldes, wo der Rorenseer Acker anfängt und die Rorenseer und Gerchsheimer Gemarkungen mitten durch den Acker (mittels Grenz- und Marcksteinen) sich scheiden. Von der Waldspitze an bilden also die vorhandenen Grenzsteine die korrekte Grenze. Alles rechts ist Gerchsheimer, alles links FL-Rorenseer Gebiet
  • Ab hier (Waldspitze, wo der Gerchsheim-Rorensee-Märker nahe des Waldrands im Acker steht), zieht die Grenze…
  • …zwischen Gerchsheimer und Schönfelder,
  • …Gerchsheimer und Ilmspaner und dann
  • …zwischen Gerchsheimer und Großrinderfelder Gemarkung (gemäß Absteinung)
  • und dann längs der Absteinung zwischen Gerchsheimer und Großrinderfelder Gemarkung bis an die Grenze der Steinbacher, Unter- und Oberaltertheimer Gemarkung (und zwar so, dass alles, was rechts gegen Gerchsheim liegt auch Gerchsheimer Cent-, Jagd- und Hoheit ist, alle links gelegen Wälder und Gemarkungen aber zu FL-Territorium, -Jagd & -Cent gehören (sofern die Gemarkungen die ansonsten üblichen FL-Gemarkungen betreffen)

    Diese und alle anderen FL-FSRK-Grenzen sollen mit Territorial-Stöcken (welche das beiderseitige Wappen tragen) durch eine Lokal-Beamten-Kommission im Frühjahr 1806 versehen werden.

    AUSGENOMMEN von dieser Abtretung bleibt jedoch das dem FL zustehende Geleitrecht von den Geleitsäulen auf der Weinstraße bis durch den Ort Gerchsheim. Hinsichtlich des Zolles und Geleits auf der Weinstraße bleiben die bestehenden Regeln in voller Kraft.

Eine detaillierte Beschreibung dieses ganzen Hin- und Hergeschacheres im Jahr 1805 also. Ironie der Geschichte: Letztendlich war alles viel Lärm und nichts, denn schon ein Jahr später drängte Napoleon 16 deutsche Fürsten in der am 12.7.1806 geschlossenen Rheinbundakte zum Austritt aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, was faktisch dessen Ende war. (Kaiser Franz II. legte die Reichskrone dann schließlich am 6.8.1806 nieder und nannte sich fortan Franz I., Kaiser von Österreich.) Auch unsere beiden Fürsten verloren mit dieser Mediatisierung schon wieder ihre Regierungsmacht – auch über die gerade erst so mühevoll untereinander aufgeteilten neuen Gebiete im Main-Tauber-Gebiet, die nun vom neu gegründeten Großherzogtum Baden geschluckt wurden (südlich von Edelfingen vom Königreich Württemberg).

Besonders interessant am Vertrag ist aber darüber hinaus die genaue Grenzbeschreibung um Gerchsheim herum. Da davon auszugehen ist, dass dieser Grenzverlauf noch denjenigen vor 1803 widerspiegelt, beschreibt er also auch die alten Grenzen der zum Hochstift Würzburg gehörigen Gemarkung Gerchsheim zu den Nachbargemarkungen Unter- und Oberaltertheim, Kist/Irtenberg/Guttenberg, Ilmspan (alles Hochstift Würzburg), Schönfeld und Großrinderfeld (beides Kurmainz). Sogar der abgegangene Ort Rohrensee ist noch erwähnt. Die Grenzbeschreibung kann sich also noch als sehr nützlich für Feldforschungen erweisen, zum Beispiel bei der Suche nach alten Grenzsteinen, Grenzwegen oder sonstigen Relikten alter Grenzen. Entsprechende Expeditionen sind freilich schon in Planung, mögliche Entdeckungen werden dann selbstverständlich in Funk und Fernsehen bestaunt werden können 😉

Auf ein potentiell zu findendes Grenzrelikt aus etwas jüngerer Zeit, nämlich der unserer beiden hochwohlgeborenen Fürsten zu Leiningen und zu Salm-Reifferscheidt weist der Vertrag am Ende sogar direkt hin: Territorial-Stöcke, welche „das beiderseitige Wappen tragen“ und durch eine Lokal-Beamten-Kommission im Frühjahr 1806 errichtet werden sollen. Also nur wenige Monate, bevor sie dann durch die Regierungsentmachtung unserer beiden Herrschaften jegliche Funktion eingebüßt haben. Oder hätten. Schwer abzuschätzen, wie viele dieser Territorialstöcke die Lokal-Beamten-Kommission schon gesetzt hatte, bevor sie dann durch Napoleon ausgebremst wurde. Müsste man sich halt mal auf die Suche begeben, die so schön beschriebene Grenze ablaufen. Vielleicht stolpert man ja über einen Territorialstock. Wenn man eine vage Ahnung davon hat, wie er denn aussehen könnte. Ein normaler Grenzstein ist das nicht, den Grenz- und Marksteine werden im Vertrag ja als solche erwähnt. Muss also etwas Größeres sein. darauf deutet ja auch der Name schon hin – Territorial-STOCK. Etwas längliches, höheres wohl, ähnlich einem ZollSTOCK, ZigeunerSTOCK oder BildSTOCK halt. Und tatsächlich sind zwei umtriebige Grenzgänger vom HKV Großrinderfeld schon längst auf etwas Rätselhaftes gestoßen, was sich als ein solcher Territorialstock ziemlich verdächtig macht:

Artikel in den Fränkischen Nachrichten vom 20. Juli 2020

Zum Zeitpunkt des Fundes war der Vertrag mit den erwähnten Territorial-Stöcken noch nicht bekannt, weshalb erst mal von einem Zollstock ausgegangen wurde, da der Stein an der Gemarkungsgrenze Großrinderfeld-Gerchsheim neben einem alten Hohlweg (vermutlich eine Spur des Geleitwegs Nürnberg-Frankfurt) steht und der benachbarte Flurname „Zollstock“ heißt. Aufgrund seines Standortes wäre es nun aber mindestens genauso wahrscheinlich, dass es sich bei dem Steinfund tatsächlich um einen dieser Territorial-Stöcke handelt, die gemäß des obigen Vertrags im Frühjahr 1806 errichtet werden sollten. Womöglich war dieser Stein das Pilotprojekt, der erste Territorialstock, der hier an der Grenze zwischen leiningischem und salm-reifferscheidschen Territorium errichtet wurde – und vielleicht aufgrund der schon vor der Tür stehenden Ereignisse auch der letzte. Ein Unikat, ein Relikt aus einer kurzen Zwischenstation der Geschichte. Ob es noch weitere gibt, gilt es nun herauszufinden.

-Fortsetzung folgt-