Die Geleitwege zwischen Nürnberg bzw. Augsburg und Frankfurt, auf dem die Kaufmannszüge zur Frankfurter Messe zogen, verliefen durch unsere Gegend. Die Strecken waren eine der wichtigsten Fernstraßen des Mittelalters. Vermutlich sind sie noch älter. Auch außerhalb der Kaufmannszüge war auf diesen alten Wegen einiges los: Warentransporte nach Nürnberg bzw. Frankfurt aus der Main-Tauber-Region. Insb. der hiesige Wein war auch überregional ziemlich begehrt. Ein besonderes Spektakel war es zudem, wenn auf dieser Route vor einer Kaiserkrönung die Reichsinsignien von Nürnberg nach Frankfurt transportiert wurden.
Die Route verlief in unserer Region von Würzburg über den Nikolausberg (vielleicht aber auch über den Winterleitenweg und die Alte Steige (Höchberg)) nach Kist, vorbei am Irtenberger Forsthaus (welches auch eine Zollstation war), nördlich vorbei an Gerchsheim und Großrinderfeld (Alte Straße), durch den Großrinderfelder Forst nach (Tauber)Bischofsheim. Bischofsheim war die erste Übernachtungsstation nach Würzburg. Dann ging es weiter südlich vorbei an Külsheim (Hohe Straße) über Hundheim bzw. alternativ die Meßhöfe nach Tiefental, Neunkirchen und über die alte Steige runter nach Eichenbühl bis Miltenberg, welches die nächste Übernachtungsstation war. Die Straße war streckenweise in einem desolaten Zustand, was z.B. Akten und Briefwechsel aus dem 18. Jhd. drastisch schildern.
Aus Richtung Nürnberg bis Tauberbischofsheim gab es noch alternative Geleitrouten, die parallel (z.B. wetterabhängig) oder aber auch zu anderen Zeiten genutzt wurden: Diese kamen aus Richtung Uffenheim dann in einer Variante über Aub und Simmringen nach Vilchband und von dort entweder über Zimmern und Grünsfeld nach Bischofsheim oder über Kützbrunn und Gerlachsheim nach Bischofsheim. In der zweiten Variante ging es aus Richtung Uffenheim über Bieberehren , Röttingen und Mergentheim nach Bischofsheim.
Geleit bedeutet, dass die Kaufmannszüge auf diesen Wegen beschützt wurden, um sie vor den damals häufigen Raubüberfällen zu schützen. (Auch Götz von Berlichingen z.B. hatte im Taubertal einen Augsburger Kaufmannszug überfallen.) Der Geleitschutz wurde von der jeweiligen Herrschaft (in unserer Region Hochstift Würzburg bzw. Kurmainz) an ihre jew. Ämter vor Ort übertragen. Es war genau festgelegt, welcher Streckenabschnitt von einem Amt geschützt werden musste: Von Wü bis zum Kalten Loch bei Kist (bzw. ab Ende des 16. Jhd. bis zu den Hoheitssäulen beim Irtenberger Forsthaus) bestand Würzburger Geleit, dann übernahm Kurmainz über sein Amt Bischofsheim bis zum Geleitsbaum oberhalb von Eiersheim, wo an Külsheim (ebenfalls Kurmainz) übergeben wurde. Külsheim bot das Geleit bis Tiefental, wo wieder Würzburg über sein Amt Miltenberg übernahm.
In der Praxis gab es zwei Varianten von Geleitschutz: a) bewaffnete Geleitreiter des jeweiligen Amtes begleiteten den Kaufmannszug auf ihrem jew. Streckenabschnitt. b) Die Ämter stellten Geleitbriefe aus, in denen den Kaufleuten Schutz gewährt wurde. Im Falle eines Überfalls hatten die Ämter dann für Entschädigung zu sorgen.
Das Geleit war kostenpflichtig. Die Kaufleute hatten Geleitgeld zu zahlen, waren dafür dann aber von allen anderen Zöllen (z.B. Wegzoll) befreit. Das Geleitgeld war für die Ämter eine wichtige Einnahmequelle. Daher bestand für die Kaufleute i.d.R. Geleitpflicht und ebenso die Verpflichtung, auf den Geleitwegen zu reisen.
Die Übergabestellen des Geleits waren durch Hoheitssäulen, Geleitsteine oder auch Geleitbäume markiert und meist an markanten Stellen: Die Furt durchs Kalte Loch (Kist), die Kreuzung des Geleitwegs mit der Weinstraße (Irtenberger Forst), der Geleitbaum am Beginn der Hohen Straße (Eiersheim/Külsheim) oder das Tiefe Tal des Otterbachs (Tiefental). Die Hoheitssäulen von 1584 im Irtenberger Forst stehen noch. Auf der Kurmainzischen Säule steht: „Mäintzisch Glaitd / Zent Zoll wildtban / hohe und nidere Oberkeit. A.“, auf der Würzburger (Julius Echter): „Wirtzburgisch Gelaid / Zennth. Wildban / Hohe und Nider / Obrigkeit. A.“
Zwischen den Geleitübergabestellen war der Geleitweg oft einseitig mit an Grenzsteine erinnernden Geleitsteinen markiert. Auf einem noch existierenden Würzburger Stein von 1595 ist das Echter-Wappen eingehauen, auf Bischofsheimer Steinen stand „B.D.“ (bischofsheimensis ductus). Zwischen Großrinderfeld und Gerchsheim finden sich auf Großrinderfelder Gemarkung am ehem. Geleitweg mehrere Steine mit der Inschrift „GD“. Die Bedeutung ist noch unklar. „Großrinderfelder ductus (Geleit)“ wäre naheliegend, muss aber in Frage gestellt werden, da Großrinderfeld kein Amt war. Das Dorf gehörte aber eine Zeit lang (vor 1585) anteilig zum Hochstift Würzburg und über die Grafen Rieneck zum Amt Grünsfeld. Grünsfelder Ductus?
UPDATE zum letzten Abschnitt: Mittlerweile bin ich mir nicht mehr sicher, ob es solche Geleitsteine abseits der Geleit-Übergabestellen überhaupt gab. (Die oben verlinkten BD- und Echter-Steine im Dittwarer Eisgrund könnten an der Gemarkungsgrenze Heckfeld (damit zu Lauda, damit zu Würzburg gehörig) und Dittwar (damit zu Bischofsheim (Kurmainz) gehörig) auch anders interpretiert werden.) Die Behauptung, dass es einseitig an der Geleitstraße BD-Steine gab, stammt von Gehrig in der Tauberbischofsheim-Chronik (1997). Allerdings -und das ist für seine Angaben in dieser Chronik ungewöhnlich- ohne Quellenangabe. Alle jedoch mir bisher bekannten in der Fachliteratur beschriebenen „Geleitsteine“ sind ausnahmslos Steine, die an Übergabestellen des Geleits von einer Herrschaft auf die andere standen. Zudem ist die von Gehrig postulierte Übersetzung „bischofsheimensis ductus“ problematisch. Bekannte Geleitsteine sind unmissverständlich benannt, auch für Nicht-Lateiner: GELAIT oder GLAIT(D). Auch unsere Hoheitssäulen im Irtenberger Forst (s.o.). Zudem heißt „ductus“ eher Führung, das Geleit ist im lateinischen eher „comitatus“ oder „conductus“. Und die Satzstellung ist auch problematisch, „comitatus bischofsheimensis“ wäre schon besser. dazu kommt noch: Bischofsheim war ja nur ein Mainzer Oberamt, das als nur das Kurmanzische Geleitrecht als „Behörde vor Ort“ durchführte. Also eher Bischofsheimer Mainzisches Geleit. CBM, CMB oder so, wenn schon lateinisch…
Geleitwege entstanden vermutlich mit der Entstehung der Städte und dem damit verbundenen Warenaustausch bereits im 13. Jhd. „Unsere“ Geleitwege gibt es spätestens seit 1318 (urkundliche Erwähnung). Im 18. Jhd. Verloren die Geleitwege allmählich an Bedeutung, ab 1803 (Reichsdeputationshauptschluss) war es dann mit dem Geleit vorbei.
Die Streckenführung der Geleitwege entspricht der aller anderen bis zum Mittelalter entstandenen Fernwege: Zwischen zwei Zielpunkten (z.B. Städte als Übernachtungsstationen wie bei uns Würzburg, Bischofsheim, Miltenberg) wurde eine möglichst direkte Verbindung versucht, wobei stets angestrebt wurde, auf Höhenzügen zu bleiben. Höhenzüge boten zwei Vorteile: Weitsicht als besserer Schutz vor Überfällen und nur selten sumpfige Passagen oder Gewässer, die gequert werden müssten. Ins Tal begab man sich nach Möglichkeit nur zum Übernachten (Städte liegen klassischerweise im Tal, an Flüssen). Steigungen ging man so direkt wie möglich an, geradeaus hoch (Steigen), selten seitlich zum Berg oder gar serpentinenförmig. Bei Steigungen (bzw. Gefällen) finden sich dann oft heute auch noch beeindruckende Relikte dieser alten, ehemals stark genutzten Straßen: Hohlwege, die sich über die Jahrhunderte tief in die Erde eingegraben haben. (Die von den Wagen und Zugtieren gelockerte Erde wurde aufgrund des Gefälles beim nächsten Starkregen mit fort gespült, so dass der Weg wieder ein klein wenig tiefer als seine Umgebung wurde.) In unserer Gegend finden sich eindrucksvolle Hohlweg-Abschnitte im Irtenberger Forst zwischen Forsthaus und Hoheitssäulen, im Sellinger-Wald zwischen Gerchsheim und Großrinderfeld, beim Teufelsloch nordöstlich von Tauberbischofsheim (Alternativroute des Geleitwegs oder Abzweigung nach Impfingen) und noch ein sehr kurzer Abschnitt beim Kalten Loch (zwischen A3 und Zufahrt zur Autobahnmeisterei). Erst mit dem Chaussee-/ Kunststraßenbau ab Mitte des 18. Jhd. Änderte sich die Streckenführung grundlegend. Straßen wurden massiver befestigt (Makadam), störende Böschungen abgetragen, Aufschüttungen vorgenommen, leichter und öfter Brücken gebaut. Starke Steigungen konnten nun vermieden, umfahren oder durch Serpentinen erleichtert werden, man konnte im Tal bleiben, eher die bequemste und nicht mehr die kürzeste und höchste Route suchen.
Noch heute haben manche Wege/ Wegabschnitte oder Flurstücke Namen, die auf solche alten Höhenzugs-Fernstraßen hinweisen: Hohe Straße, Alte Straße (evtl. vom lat. Strata alta = Hohe Straße). Auch Heerstraße, Römerweg, Kaiserweg, Napoleonsweg, Weinstraße (vom mitteldeutschen „woin“ = Wagen) sind gängige Bezeichnungen für solche alten Fernwege. In unserer Gegend heißt der Geleitswegabschnitt nördlich und nordöstlich von Großrinderfeld heute noch Alte Straße, auch im Großrinderfelder Forst Richtung Tauberbischofsheim findet sich wieder eine Alte Straße und ebenso ein Flurstück westlich von Großrinderfeld. Beim Irtenberger Forst gibt es noch Flurstücke „Weinstraße“, die auf diese Straße hindeuten, die hier bei den Hoheitssäulen einst den Geleitweg kreuzte. Bei Külsheim schließlich heißt der dortige Geleitwegabschnitt heute noch die Hohe Straße.
Ebenfalls charakteristisch für alte Fernwege ist, dass sich an ihren Wegrändern auffallend viele Kleindenkmale befinden. Bildstöcke sollten ja zum Beten animieren und wurden außerhalb von Siedlungsgebieten daher natürlich gerne an besonders frequentierten Stellen errichtet, idealerweise an Weggabelungen/-kreuzungen von Fernwegen. (Ausnahme: Bildstöcke, deren Errichtung an einen speziellen Ort gebunden ist, weil sich dort ein Unglück ereignete oder sie auf eigenem Grund und Boden errichtet wurden.) Noch auffallender ist aber, dass an Fernwegen besonders viele kleine, einfache Steinkreuze stehen: Sühnekreuze. Erst mit der peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. (constitutio criminalis carolina) im Jahre 1532 wurden die Leibes- und Lebensstrafen in einer Art Strafgesetzbuch verankert. Davor wurde z.B. Totschlag lokal mit Sühneverträgen geahndet. In diesen wurde von Fall zu Fall festgelegt welche Strafen dem Täter auferlegt wurden. Oft war dies die Errichtung eines Sühnekreuzes am Tatort, eine Pilger-/Wallfahrt für das Seelenheil des Verstorbenen und eine Geldzahlung an die Hinterbliebenen. Je mehr Menschen einen Weg passieren, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für Straftaten dort, z.B. Überfälle. Schließlich finden sich an den Geleitwegen gelegentlich auch größere, feiner gearbeitete Kreuze, auf denen ein Richterschwert (als Symbol der Hohen Gerichtsbarkeit) eingehauen ist. Diese könnten eine Warnfunktion (Strafandrohung) für die Reisenden gehabt haben, in diesem Amtsbereich besser nichts Unrechtes zu tun. In unserer Gegend gibt es zahlreiche Bildstöcke am alten Geleitweg, z.B. nordöstlich von Großrinderfeld das Bögnersbild (heute versetzt), Walldürn-Wallfahrer-Bildstöcke östl. von Tauberbischofsheim, die „Drei Bilder“ (heute nur noch eines vorhanden) südlich von Eiersheim oder auch ein Bildstock mit Wegweiserfunktion (nach Miltenberg bzw. Külsheim) südwestlich von Eiersheim. Sühnekreuze stehen z.B. beim Flurstück „Kreuze“ (!) nördlich von Großrinderfeld, im Forstgrund östlich von Tauberbischofsheim oder auch an der Abzweigung von der Hohen Straße nach Külsheim im Taubenloch. Dieses sogar mit Inschrift, die den Raubmord an einem Bischofsheimer Siebmacher drastisch schildert: „ANNO 1590 DEN [LETS]TEN AUGUST [I] IST DER ERBAR ANDRES SCHMIT BURGER UND SIBER ZU BISHO FSHEIM AN DISEM ORT IAMER LICH ER MORDET WORDEN DEM GOT GENAT“.
Richterschwert-Kreuze (Gerichtskreuze) stehen z.B. im Teufelsloch westlich von Großrinderfeld (Gemarkungsgrenze Großrinderfeld – Impfingen) und am oberen Ende der Eichenbühler Steige.
Zoll, Zollstöcke und Zigeunerstöcke
Auch im Zeitalter des Geleits wurde nicht jeder auf einem Geleitweg reisende geleitet. Ein einzelner lokaler Händler z.B., der von seinem Wohnort in einen Ort der Umgebung auf den Markt ging, hatte sicherlich kein Geleit. Aber deshalb war er nicht zwingend von jeglichen Gebührenzahlungen befreit. Vielerorts wurde nämlich auch Straßen-/Wegezoll erhoben, von dem i.d.R. nur im Geleit Reisende befreit waren. (Manchmal gab es aber auch Übereinkommen zweier benachbarter Ortschaften, dass gegenseitig kein Wegezoll erhoben wurde.) Der Wegezoll sollte den Erhalt der Wege finanzieren, die damals noch sehr häufig ausbesserungsbedürftig waren.
Bezahlt werden musste dieser meist in der nächsten Ortschaft, manchmal auch in freistehenden Rast-/Wirtshäusern oder anderen am Weg liegenden Gebäuden (z.B. Irtenberger Forsthaus). Angekündigt -im Sinne einer Mahnung, den Zoll bloß nicht prellen zu wollen- wurde er mittels Zolltafeln oder Zollstöcken. Aber auch schon auf der freien Strecke, z.B. an günstigen Stellen wie Wegkreuzungen oder an Nadelöhren, wo der Weg nur schwerlich umgangen werden konnte, wie z.B. vor Brücken.
Der Begriff Zollstock wird in der Fachliteratur kontrovers diskutiert: Manche meinen, er bezeichnet eine Zolltafel, andere denken eher an einen Schlagbaum an einer Zollstelle. Vielleicht wurde der Begriff auch für beides verwendet. Blecherne Zolltafeln finden sich noch einige in diversen Museen, i.d.R. sind dies jedoch Tafeln, die direkt am Zollhaus angebracht waren und auf welchen die verschiedenen Zolltarife für diverse Waren gelistet waren. Zollstöcke -ob nun Zolltafel oder Schlagbaum- im freien Feld finden sich dagegen nahezu keine mehr. Viele waren sicherlich aus Holz und sind daher schon längst vermodert. Erhalten hat sich der Name Zollstock aber vielerorts noch als Flurname. Auch am Geleitweg zwischen Würzburg und Miltenberg häufiger. Zum Beispiel bei den Geleitsäulen im Irtenberger Forst, beim Richterschwertkreuz am Teufelsloch westlich von Großrinderfeld, beim Geleitsbaum südwestlich von Eiersheim oder auch beim Sellinger-Wald zwischen Großrinderfeld und Gerchsheim.
Dort beim Flurstück „Zollstock“ liegt östlich daneben an einer Senke das Flurstück „Brücke“. Heute ist da keine Brücke mehr zu finden, aber ihr früherer Bedarf lässt sich vor Ort nachvollziehen: Der heutige Straßenverlauf dort wird kaum der alte sein (Kunststraße, siehe vorne), denn der hier direkt westlich an der Straße liegende Hachtelwald wächst hier -zwar auf der Höhe, aber eben doch- in einer Senke. Diese scheint vor dem Kunststraßenbau sumpfig gewesen zu sein, auch unter der Landstraße hindurchführende Entwässerungsdrainagen weisen darauf hin. Der alte Geleitweg musste ein solches Sumpfgebiet umfahren. In diesem Fall offenbar mit einem kleinen Schwenk nach Südosten durch den Sellinger-Wald, zur Brücke an einer geeigneten Stelle über den Graben des Bächleins, welches einst aus dem sumpfigen Hachtelwald hier abfloss. Eine Brücke – ein strategisch guter Ort für einen Zollstock also. Das daneben liegende Flurstück Zollstock weist ja dann auch mit Nachdruck darauf hin.
Und hier im Sellinger-Wald, beim Flurstück Zollstock, direkt vor dem Flurstück Brücke steht ein seltsamer, ca. 1m hoher, 30cm breiter und 20cm tiefer roter Buntsandstein. Er weist Wetzspuren auf, hat oben vier kleine, ca 2cm breite und tiefe Einkerbungen und neben ihm in der Erde finden sich Kohlestückchen. Vor und hinter ihm im Wald Hohlwegreste, zum Teil mehrere nebeneinander. Der Stein steht nur wenige Meter neben der Gemarkungsgrenze Gerchsheim (nach 1590 Hochstift Würzburg, davor u.a. anteilig Kurmainz) – Großrinderfeld (nach 1585 Kurmainz, davor u.a. anteilig Hochstift Würzburg). Die Vermutung liegt nahe, dass dies der Zollstock -Schlagbaum oder Zolltafel- sein könnte. In den vier Einkerbungen oben könnte eine blecherne oder hölzerne Zolltafel eingehängt gewesen sein, womöglich auch eine Schranke, i.S. einer Holzstange mit vier metallischen Haken, welche in die Kerben eingehängt wurden.
Vor diesem Stein konnte ein weiterer Buntsandstein aus dem Erdreich freigelegt werden:

Dieser massive Brocken misst 80x90cm bei einer Tiefe von ca 40cm. Er hat damit ein berechnetes Gewicht von mindestens 650kg. Oben mittig weist der Stein eine eingehauene rechteckige Mulde auf (Breite 30 cm, Länge 20 cm, Tiefe 13 cm). Da der stehende Stein exakt in diese Vertiefung hineingesteckt werden könnte, dürfte es sich bei dem freigelegten Stein vermutlich um den Sockel des stehenden Steines handeln. Hier stellt sich die Frage, wieso dann der Stein einst aus seinem Sockel genommen wurde, bloß um ihn sorgsam direkt dahinter wieder aufzustellen. Sorgsam auch deshalb, weil er an seinem neuen Standort sogar ringsum mit flachen Kalksteinen umrandet, verziert wurde. Womöglich wurde er damit symbolisch „außer Dienst“ genommen. Über die exakte Funktion dieses Steins zeigen sich alle bisher kontaktierten Experten ratlos (u.a. Landesdenkmalämter Baden-Württemberg & Hessen und Deutsches Zollmuseum). Die Vermutungen gehen von einem Zollstock (Zolltafel) über einen Schlagbaum, Poller bis zu einer Armsäule (alter Wegweiser, wo in die Einkerbungen oben dann hölzerne, beschriftete Arme eingesteckt gewesen wären) oder auch einem Zigeunerstock (s.u.). Welche Funktion der Stein auch immer hatte, es muss offensichtlich eine sehr wichtige gewesen sein und es muss dabei von großer Bedeutung gewesen sein, dass er exakt an seinem Standort bleibt, was der gewaltige, nahezu überdimensioniert wirkende Sockel zeigt. Auf die ehem. große Bedeutung weist darüber hinaus hin, dass es sich bei den beiden Steinen um Buntsandsteine handelt. An ihrem Standort gibt es keine Buntsandsteine, hier ist Kalksteingebiet. Die Sandsteinregion beginnt frühestens 6km weiter nördlich. Die zwei Steine, die zusammen über eine ¾ Tonne wiegen dürften, müssen also mit großem Aufwand kilometerweit transportiert worden sein.
UPDATE zum potentiellen Zollstock: Nach neueren Erkenntnissen könnte es sich beim dem rätselhaften Stein auch um einen sogenannten Territorial-Stock handeln, mit dem die Fürstenhäuser Leiningen und Salm-Reifferscheid-Krautheim im Jahr 1805/06 ihre kurzlebigen Herrschaftsgebiete voneinander abgrenzen wollten. Details dazu gibt es im Beitrag „Zwischen Kurmainz und Baden…“.
Ein weiterer Begriff, der in der Umgebung von alten Fernwegen immer wieder auftaucht, ist der Zigeunerstock (bzw. Zigeunerbaum). Hierbei handelte es sich um Tafeln, auf denen die Strafen für verschiedene Verbrechen dargestellt wurden. Sie sollten fahrendes Volk („Zigeuner“), Herumtreiber und Vagabunden eindringlich ermahnen, in dieser Gegend kein Unrecht zu begehen bzw. gar nicht erst diesen Herrschaftsbereich zu betreten. Zigeunerstöcke standen oft an günstigen Stellen wie Wegkreuzungen/-gabelungen oder auf den Plätzen, wo die Adressaten gerne ihr Nachtlager aufschlugen bzw. aufschlagen mussten. Wie die Zollstöcke sind auch die Zigeunerstöcke i.d.R. nicht mehr vorhanden, leben aber als Flurnamen an früheren Standorten oft noch weiter. In unserer Gegend gibt es zB westlich von Külsheim einen Flurnamen Zigeunerstock, wo die Landstraße (früher hier die Geleitstraße) auf die Straße Steinfurt-Steinbach trifft. Nördlich von Großrinderfeld, nahe Hof Baiertal, gibt es nicht weit entfernt von der Alten Straße ein Flurstück Zigeunersbaum.
Über unsere andauernden Versuche, den Streckenverlauf des Geleitwegs zwischen Würzburg – Bischofsheim – Miltenberg möglichst genau zu rekonstruieren, berichte ich hier:
https://wandertauber.wordpress.com/geleitstrasse/